Triathlon: Training & Tipps

Erfahrungsbericht: Der Effekt eines stark gedämpften Laufschuhs auf die Lauftechnik

Was bringt die enorme Dämpfung und wo liegen ihre Grenzen?

Gleich vorweg: ich habe beide Schuhe käuflich erworben, habe keine vertraglichen Abhängigkeiten. Dies ist kein Test, sondern ich berichte hier völlig subjektiv über meine Erfahrungen mit zwei Laufschuh-Modellen, die jeweils eine unterschiedliche Dämpfungsphilosophie vertreten:

Nike Zoom Fly 3

ON Running Cloudflow

Das sind meine bevorzugten Trainingsschuhe über eine Trainingssaison gewesen. Von der technischen Ausrichtung recht unterschiedliche Modelle und genau deshalb im Vergleich sehr interessant. Und da ich ja gerne mein eigener Testkandidat bin, habe ich die Gelegenheit genutzt, um die verschiedenen Aspekte und Dämpfungsphilosophien, NIKE = extreme Dämpfung / ON = moderate Dämpfung – unter die Lupe zu nehmen und die möglichen Auswirkungen auf meine Laufleistung zu beobachten. Um es vorweg zu nehmen: das Ergebnis hat mich überrascht!

Der Beweggrund? Das sind sehr interessante Erfahrungen, die ich auf gut 1.800 Lauf-Kilometern (ca. Jahres-Laufleistung) mit den beiden Modellen gemacht habe. Und womöglich hast du, wenn du diese Zeilen gelesen hast, einen ähnlichen Eindruck, den du aber zuvor gar nicht so recht wahrgenommen hast. Ich schreibe meine Erfahrungen einfach mal nieder. Dann beginnen wir mal von vorne.

Der NIKE Zoom Fly 3 fiel mir auf – natürlich! – durch die herausragenden Laufleistungen im Spitzenbereich und die vielen positiven Tests. Das hat mich interessiert. Nachdem ich den ON bereits ca. 400 Kilometer gelaufen bin, nahm ich deshalb den NIKE in mein Laufschuh-„Lager“ auf. Da ich solche Gelegenheiten gerne nutze, das Training auch immer als Feldtest zu nutzen, ging ich wie folgt vor.

Anmerkung: um eine Materialermüdung auszuschließen, habe ich mir angewöhnt, nach einer ersten Probezeit von ca. 40-50 Kilometern, jeden Schuh gleich ein weiteres Mal zu erwerben. So betrachtet waren also insgesamt 4 Schuhpaare in dem genannten Zeitraum auf der Strecke.

Phase 1: Start ausschließlich mit dem ON Cloudflow, Kilometerstand: 1 – 400 Kilometer

Nach einigen Jahren mit Verletzungsproblemen, habe ich den ON im späten Herbst 2019 genutzt, um wieder in das Tempotraining einzusteigen. 400 Km später habe ich, innerhalb einer Schwimmcamp-Woche auf Teneriffa (KLICK > siehe T3-Training.de), an zwei Abenden jeweils Tests über 5 und 10 Kilometer auf der Laufbahn durchgeführt. Mit den erzielten Zeiten, 18.35 Minuten und 39.15 Minuten, war ich nach langer Abstinenz von solchen Läufen sehr zufrieden.

Phase 2: Aufnahme des NIKE Zoom Fly 3, Kilometerstand: 401 – 800 Kilometer

Nach der Wintersaison 2019/20 auf Teneriffa habe ich den NIKE in das Training integriert. Meine ersten Läufe waren sehr zufriedenstellend und deckten sich mit den zahlreichen Tests und Erfahrungsberichten. Der Weltrekord-Schuh hielt sein Versprechen. Die enorme Dämpfung und die Carbonfaser-Einlage brachten ein „Bounce“-Gefühl, das ich so noch nicht erlebt habe. Ergebnis: eine 4-Jahresbestzeit auf meiner 15km-Hausrunde. Um die Abnutzung gut zu verteilen, erwarb ich als Wechselschuh zusätzlich den NIKE Flyknit. Dies waren die Kilometer 401-800 und die prozentuale Nutzung war NIKE 80% / ON = 20%.

Phase 3: Vorläufiges Ende der Euphorie, Kilometerstand: 801 – 1.200 Kilometer

Weitere 400 Kilometer später, also der Bereich 801-1.200, war von Ernüchterung geprägt. Meine Laufleistung stagnierte, obwohl ich das Training inhaltlich aufgewertet hatte und der Sommer allerbeste Trainingsbedingungen mit sich brachte. Doch irgendwie stellte sich ein Gefühl der Tempobarriere ein. Zwar war ich in einem Bereich um 4.20 Min/Km sehr stabil und komfortabel unterwegs, schneller zu laufen war jedoch mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden. In dieser Phase betrug der Nutzungsanteil der beiden NIKE nahezu 100%.

Phase 4: Die Überraschung, Kilometerstand: 1.201 – 1.500 Kilometer

Nach einer leichten Frustration in Phase 3 begab ich mich auf Ursachensuche. Das Training konnte nicht ausschlaggebend für die Leistungsschwäche sein. Also beobachtete ich meine Lauftechnik. Dabei fiel mir auf, dass sich eine leichte „Schlampigkeit“ eingestellt hatte. Die Dynamik war etwas verloren gegangen und so beschloss ich, die beiden NIKE-Schuhe temporär zu verbannen und einen alten Rennschuh zu reaktivieren. Das Ergebnis war erstaunlich: trotz des für meine Verhältnisse recht hohen Laufumfangs, stellte sich bei gutem Tempo im Anschluss eine spürbare Verhärtung der Wadenmuskulatur ein. Somit übernahm ich wieder verstärkt den deutlich Lauftechnik-aktiveren ON als Trainingsschuh.

Phase 5: Die Erkenntnis, Kilometerstand: 1.501 – 1.800 Kilometer

Auch mit dem ON, wir befinden uns nun in finalen Phase 1.501-1.800 Kilometer, stellte sich zunächst ein leichter Zug der Wadenmuskulatur ein, welcher Hinweis auf eine dynamischere Lauftechnik war. Das war das Indiz. Offenbar, so die erste Annahme, ist die Lauftechnik mit den NIKE anders als mit dem ON. Anders war die erste Analyse nicht zu treffen. Bei genauer Beobachtung der Koordination war nun klar, wo das Problem lag. Der NIKE mit seiner enormen Dämpfung hatte mich nach einem tollen und furiosen Trainingsstart mit der Zeit technisch immer nachlässiger werden lassen. Nach und nach „fiel“ ich in die Schritte hinein. In der Erwartung, dass die Dämpfung dieses Fallen mit einem Rückstoß auffangen und mich damit beschleunigen würde. Ein Prozess , der schleichend verlief. Und genau das ist ja die Gefahr. Aus der Euphorie in die Bequemlichkeit?

Analyse: kurz und knapp

Aus meiner Erfahrung heraus – und womöglich auch nur für mich gültig – verleitet der NIKE nach und nach zu einem instabilen, sprich tendenziell eher inaktiven Laufstil. Das bildliche Hineinfallen in das weiche Kissen des Zoom Fly 3 wurde zur Gewohnheit und verminderte die Aktivität der körpereigenen „Federkräfte“. Der durch den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) erzeugte Effekt verschlechterte sich, ebenso die Stiffness des Muskelsehnen-Komplexes aus Achillessehne und Wadenmuskel. Das Ergebnis waren die leichten Verhärtungen, die ich wahrnehmen konnte. Die Lauftechnik verlor ihre aktiven Elemente. Nachdem ich den Einsatz der NIKE reduzierte, verbesserte sich die Lauftechnik spürbar, die Leistungen wurden wieder besser.

Ergebnis: Was nun? Einsatz der beiden Schuhmodelle im zukünftigen Training

Nein, es geht nicht darum den NIKE schlecht zu machen. Ganz und gar nicht, denn er ist ein echter Tempo-Schuh. Allerdings hat mir die Erfahrung aus fast 2.000 Lauf-Kilometern gelehrt, seinen Einsatz zu dosieren und ganz bewusst zu wählen. Während der ON für mich ein ausgezeichneter, die Laufdynamik unterstützender Laufschuh ist und mein bevorzugter Trainingsschuh geworden ist, setze ich den NIKE nur noch dann ein, wenn ich Intervalle laufe. Auf diese Art nutze ich die aktive Lauftechnik aus dem Training mit „aktiven“ Schuhen, um sie mit dem Bounce-Effekt des NIKE in hohe Tempobereiche zu bringen.

Frage: wie ist das bei dir?

Ein subjektiver Erfahrungsbericht mit einer minimalen Probandenzahl, n = 1. Wie so oft gilt, dass die Höhe der Dosis der entscheidende Parameter ist. Mitunter wundert man sich über scheinbar kleine Maßnahmen, die im Endeffekt große Auswirkungen haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass der NIKE (oder ähnlich gedämpfte Schuhe anderer Hersteller – NIKE hat hier ja einen weltweiten Trend ausgelöst) besonders auch im Triathlon-Wettkampf über die Mittel- und Langdistanz wegen der stark vorermüdeten Beinmuskulatur einen positiven Effekt hat. Im Training hingegen hat sich der stete Wechsel verschiedener Modelle schon immer als vorteilhaft erwiesen. Das hat sich also nicht geändert und sollte auch so gehandhabt werden!

Und was sich auch wieder einmal gezeigt hat: ein Test ist nur dann aussagekräftig, wenn er eine Mindestlaufzeit hat. So sind manche Kurztests auf dem Laufband zwar für einen ersten Eindruck nützlich. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen können sie aber nicht erfassen. So bleibt uns Sportlern die genaue Beobachtung und das „learning by doing“ mit wachem Auge. Viel Erfolg!

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