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Sport und Technologie: Der Strömungskanal

Wenn es um die Verbesserung aerodynamischer Eigenschaften oder Fähigkeiten geht, ist die Nutzung eines Windkanals ein unverzichtbares Instrument. Im Schwimmsport macht man sich die Hilfe von Strömungskanälen immer mehr zunutze. Vielleicht auch bald im Triathlonsport?

Von Holger Lüning

Der technologische Fortschritt hält immer mehr Einzug in den Sport und die Entwicklung moderner Sportgeräte. Das komplexeste Sportgerät aber ist und bleibt der Athlet selbst. Für die Optimierung seiner Fähigkeiten gibt es eine Fülle an Instrumentarien zur Leistungsmessung und –optimierung, um möglichst viele an der Leistungserbringung beteiligte Parameter zu erfassen.

Was im Schwimmsport seit über einem Vierteljahrhundert im Spitzenbereich eingesetzt und konsequent weiterentwickelt wurde, wird nun zukünftig vieleicht auch dem Hobbysportler zugänglich gemacht: der Strömungskanal.

In einem solchen Kanal ist es möglich, exakte Strömungsgeschwindigkeiten zu erzeugen und Bedingungen vollständig wiederholbar und reproduzierbar zu machen. Anders als im Becken, und vergleichbar zu einem Laufband, wird dem Sportler eine gleichmäßige Geschwindigkeit vorgegeben.

Das erlaubt auf der einen Seite eine präzise Ansteuerung der Schwimmgeschwindigkeit, zwängt dem Sportler aber auch eine gegebene Geschwindigkeit auf. Anders als im Becken, wo es immer wieder zu intrazyklischen Temposchwankungen kommt, verhilft es dem Schwimmer somit zu einer gleichmäßigen Tempogestaltung.

Im Spitzenbereich macht man sich diese Prinzipien schon lange zunutze. Olympiasiegerin Britta Steffen und Weltmeister Paul Biedermann trainieren seit ihrem 14. Lebensjahr regelmäßig im Strömungskanal. Zunächst um sich schon im frühen Stadium eine technische Präzision anzueignen, später um trainingsmethodische Ansätze zu verfolgen. Das Training in einem Strömungskanal erlaubt Paul Biedermann zufolge Möglichkeiten, die das Schwimmbecken nicht liefern kann: „Im Becken kann man selten solch hohe gleichmäßige Geschwindigkeiten erzielen und dadurch erfährt der Sportler einen völlig anderen Trainingsreiz.“ Er hält das Training in der Gegenstromanlage für unverzichtbar.

Goldmedaillengewinnerin Britta Steffen nutzt vor allem die Exaktheit der Anlage, um schon früh in der Saison die Zielgeschwindigkeit für den Hauptwettkampf zu erproben und diese je nach Leistungsstand immer länger auf der Stelle schwimmend absolvieren zu können. Dieser Test besitzt eine hohe Vorhersagekraft und Steuerung der Wettkampfleistung. Ergänzend dazu werden regelmäßig Schnelligkeitsübungen in Intervallform über 10 Sekunden mit Höchstgeschwindigkeit trainiert.

Das Schwimmen auf der Stelle ermöglicht den Biomechanikern und Leistungsdiagnostikern eine völlig neue Dimension der Analyse. Moderne Kanäle verfügen über mehrere, fest installierte Kameras innerhalb und außerhalb des Beckens, um die Technik des Sportlers mehrdimensional zu erfassen. Auf diese einzigartige Weise können nicht nur einzelne Fehlerbilder, sondern auch mit dem Ursprungsfehler zusammenhängende Fehlerketten bestimmt werden.

Auf den Nutzwert für Quereinsteiger angesprochen, antwortet Britta Steffen: „Gerade Triathleten haben häufig mit der Technik zu kämpfen. Wenn man vom Beckenrand aus mit den Sportlern arbeitet, kann man die Unterwasserphase gar nicht richtig beurteilen und da ist der Kanal wirklich von grossem Vorteil. Ich glaube, gerade Quereinsteiger und Triathleten, können deshalb enorm davon profitieren.“

Ein Erlebnishöhepunkt der besonderen Art erleben Quereinsteiger gerade dann, wenn sie zum ersten Mal ihre eigene Schwimmgeschwindigkeit als Gegenströmung wahrnehmen. Im Gegensatz zum freien Schwimmen und dem damit verbundenen Streckengewinn fließt das Wasser in exakt abgestimmter Geschwindigkeit auf den Schwimmer zu. Dabei entwickelt man nicht nur erstmalig ein Gefühl für das eigene Tempo, sondern erfährt intensiv die enormen Widerstandskräfte des Wassers.

Schon bei relativ geringen Geschwindigkeiten um 1 m/s, entsprechend einer 100m-Zeit von 1.40 Minuten, spürt man die mächtigen Widerstandkomponenten des Wassers. Auf diese außergewöhnlich Weise kann man nun erahnen, wie wichtig es ist, eine hydrodynamisch günstige Position im Wasser einzunehmen.

Schließlich wirken mit dem Frontalwiderstand sowie den Verwirbelungen und dem Endsog gleich mehrere Schleppfaktoren auf den Schwimmer ein. Diese hinderlichen Faktoren zu minimieren ist deshalb zurecht eine der Hauptaufgaben eines Schwimmers. Die vielfältigen Fehlerquellen wie eine zu hohe Kopfhaltung, schlingernde Rumpfbewegungen, übermäßige Rotationen oder angestellte Füsse sind beim Schwimmen auf der Stelle in ihrer Gesamtheit präzise erkennbar. Allein in diesen Bereichen sind durch Korrekturen der Körperposition Einsparungsmöglichkeiten in zweistelliger Prozentstärke zu erzielen. Und letztlich erhält man einen doppelten Nutzen: der Energieverbrauch sinkt und die Geschwindigkeit steigt.

Mit Beckenmaßen von fünf bis sieben Metern Länge und zwei bis drei Metern Breite überzeugen moderne Anlagen mit ausreichend Platz für mehrere, gleichzeitig schwimmende Personen. Dank der stufenlosen Regulierung der Strömungsgeschwindigkeit von 0 bis 2.5 m/s können Personen jeder Leistungsklasse die Vorteile eines Kanals nutzen. Immer häufiger werden sanfte Strömungsgeschwindigkeiten auch für Rehabilitationsmaßnahmen, z.B. mittels Aquajoggings, eingesetzt. Untersuchungen im Trainingszentrum Tenerife Top Training (T3) in Teneriffa haben ergeben, dass man Zeiten der Rekonvaleszenz nach Knieverletzungen um 20-30% verkürzen kann.

Diese Tatsache läßt die Hoffnung zu, dass es bald mehr Anlagen in Deutschland gibt, die öffentlich zugänglich sind. Derzeit befinden sich alle Strömungskanäle an Olympiastützpunkten wie Berlin, Hamburg, Leipzig oder Magdeburg. Ihre Nutzung ist ausschließlich den Kaderathleten der Verbände vorbehalten und somit für Privatpersonen nicht geöffnet.

In Europa bietet lediglich das T3-Trainingszentrum auf Teneriffa eine private Nutzung an. Hier kann man Aufenthaltszeiten buchen oder sich eines der speziellen Trainings-Camps auswählen, in denen der Kanal gezielt für das Techniktraining eingesetzt wird. Doch auch auf den Kanaren findet man deutsches Know-How vor – die dortige Gegenstromanlage wurde vom Technischen Zentrum Leipzig, dem Marktführer auf diesem Gebiet, konzipiert und erbaut. Dass sich die Leipziger Ingenieure auf hohe Strömungsgeschwindigkeiten großer Wassermassen verstehen, haben sie auch durch den Bau verschiedener Wildwasser-, Kanu- und Raftinganlagen eindrucksvoll bewiesen.

Für Spitzenschwimmer wie Britta Steffen und Paul Biedermann steht jedenfalls fest, dass auch ihre Konkurrenz das Training im Strömungskanal als wichtigen Baustein im Training einsetzt. Nach dem Verbot der Hightech-Schwimmanzüge und der dadurch wieder gestiegenen Bedeutung einer perfekten Schwimmtechnik stellt Biedermann fest. „Und wenn es um den Feinschliff geht, kommt man am Kanal nicht vorbei.“

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