Schmerzverarbeitung im Spitzensport
Liegt die Schmerzschwelle höher als bei Nicht-Sportlern?
Schmerz – wohlgemerkt ausschließlich der empfundene Belastungsstress und -schmerz – gehört zum sportlichen Training dazu. Nur wer es schafft, sich regelmäßig an die aktuellen Grenzen seiner Leistungsfähigkeit heranzutasten, darf erwarten, eine Leistungssteigerung auszulösen. Deshalb entsteht die Frage: entwickelt sich die Schmerztoleranz durch das Training?
Zumindest lässt sich vermuten, dass Sportler mit hoher Schmerzschwelle eine größere Chance haben, in individuelle Spitzenbereiche vorzudringen als Sportler, die eine sportliche Belastung früher abbrechen. Deshalb sind Studien zum diesem Thema interessant. Ich fasse hier eine aktuelle Studie zusammen.
Titel der Studie
Pain processing in elite and high-level athletes compared to non-athletes
Autoren: Pettersen, S. D., Aslaksen, P. M. & Pettersen, S. A. (2020)
Erschienen: Frontiers in Psychology, 11 (1908), 1-9.
Inhalt der Studie
Frühere Studien zeigen, dass Elite- und Spitzensportler im Vergleich zu Freizeitsportlern eine durchweg höhere Schmerztoleranz gegenüber ischämischer und kalter Schmerzstimulation besitzen. Die zuvor in diesem Bereich erhaltenen Daten sind jedoch spärlich und von geringer Konsistenz.
Zweck:
Das Ziel der vorliegenden Studie war es, den Unterschied in der Schmerzwahrnehmung zwischen Elite- und Hochleistungs-Ausdauersportlern (Langläufer und Läufer), Elite-Fußballspielern und Nichtsportlern zu untersuchen, sowie den Einfluss psychologischer Faktoren zu untersuchen Schmerzverarbeitung.
Methoden:
71 gesunde Freiwillige (33 Frauen und 38 Männer) nahmen an der Studie teil.
Fußballspieler (n = 17), Langläufer (n = 12) und Langstreckenläufer (n = 3) bildeten die Sportlergruppe, mit 39 Nichtsportlern als Kontrollgruppe. Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale, Angst vor Schmerzen und Grit (Ausdauer und Leidenschaft für langfristige Ziele) wurden vor der experimentellen Schmerzinduktion gemessen. Schmerzschwelle und -intensität wurden durch eine PC-gesteuerte Wärmethermode induziert und durch eine computergestützte visuelle Analogskala gemessen.
Die Schmerztoleranz wurde durch den Kaltpressortest (CPT) gemessen.
Ergebnisse:
Elite- und Hochleistungssportler hatten eine erhöhte Schmerztoleranz, höhere Wärmeschmerzschwellen und berichteten von einer geringeren Schmerzintensität bei thermischer Stimulation.
Ausdauersportler (Langläufer und Langstreckenläufer) hatten im Vergleich zu Fußballspielern und
Nichtsportlern eine bessere Toleranz gegenüber Kälteschmerzen.
Darüber hinaus berichteten Ausdauersportler im Vergleich zu Nichtsportlern über eine geringere Schmerzintensität, während sowohl Ausdauersportler als auch Fußballspieler im Vergleich zu Nichtsportlern höhere Hitzeschmerzschwellen hatten.
Angst vor Schmerz war das einzige psychologische Merkmal, das einen Einfluss auf alle Schmerzmaße hatte.
Schlussfolgerung:
Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass Sportarten mit lang andauernder körperlich intensiver Aktivität, die die aerobe Kapazität nivellieren, mit einer erhöhten Schmerztoleranz verbunden sind und dass die Anzahl der Trainingsstunden einen Einfluss auf diese Toleranz hat.
Die kleine Stichprobengröße impliziert jedoch, dass die Ergebnisse dieser Studie mit Vorsicht interpretiert werden sollten.