Off-Season: Bestzeiten auf den Unterdistanzen
Heute schon an die nächste Saison denken und Speed aufbauen.
Reflektieren Sie einmal, wie lange es gedauert hat, bis Sie innerhalb der abgelaufenen Saison wirklich in Ihrer individuell besten Form des Jahres waren? Da waren die Testwettkämpfe, die Ihnen Wettkampfhärte gegeben haben. Oft benötigt man Wochen, um in diese Form zu gelangen. Wäre es da nicht geradezu ein Frevel, diese Form buchstäblich in den Herbstlaub zu werfen? Oft wird genau das in den Ratgebern empfohlen und die absolute Ruhe propagiert. Doch mal ehrlich: wollen Sie zu Beginn der kommenden Saison wieder auf demselben Niveau beginnen wie in dieser Saison? Oder wollen Sie nun den Schritt auf den nächsten Level wagen?
Umfang reduzieren und Bestzeiten jagen
Die Grundformel für den Trainingsherbst lautet: Umfang reduzieren, Intensitäten intelligent hochschrauben und an der Technik arbeiten. Im letzten Fall geht es nicht darum, dass Sie lang andauernde Techniktrainings absolvieren, sondern in der angegeben Dosierung „wenig, schnell und effektiv“ Ihre Koordination im persönlichen Hochleistungsbereich entwickeln.
Dazu bieten alle drei Disziplinen einige hervorragende Übungen, bei denen der Spaß für Sie immer mehr in den Vordergrund rückt – nämlich genau dann, wenn Sie merken, wie Sie auf einmal immer schneller werden. Setzen Sie sich Erfolgsmarken! Das könnte eine neue Bestzeit über 100 Meter Kraul oder über 1.000 Meter Laufen sein. In der Ebene bietet es sich an, eine Zeitfahrstrecke über ein bis vier Kilometer zu definieren, die Sie im Laufe der nächsten Wochen in immer höherem Tempo zurücklegen. Gehen Sie auf Bestzeitenjagd auf den Unterdistanzen. Die langen Einheiten weichen deshalb den kurzen Speedtrainings. Kurz und knackig, mehr muss es nicht sein. Arbeiten Sie die Geschwindigkeit nun heraus und Sie werden sich über einen Frühjahrsstart in die Phase des Grundlagentrainings freuen, wie Sie ihn noch nicht erlebt haben.
Resteffekte: wie lange das Training wirkt
Skeptisch, weil das den gängigen Trainingsratgebern widersprechen könnte? Lassen Sie uns einen Blick auf eine Untersuchung des Sportwissenschaftlers Vladimir Issurin werfen. Issurin entwickelte auf der Basis seiner Studien zu den Resteffekten des Trainings eine eigene interessante Theorie. Hierbei geht es um die Frage, wie lange Trainingseffekte vom Organismus gespeichert und auf einem guten Niveau gehalten werden. Und: in welchen zeitlichen Abständen man sich um die Entwicklung oder Aufrechterhaltung dieser Effekte bemühen muss.
Aus diesem Wissen heraus erhalten Sie für Ihr Training der nächsten Wochen eine recht klare Zielsetzung. Kümmern Sie sich bewusst regelmäßig um Fähigkeiten, die Ihnen schnell verloren gehen. So kann Ihr Schnelligkeitsvermögen schon nach wenigen Tagen nachlassen und auch die wichtige Fähigkeit der Schnelligkeitsausdauer bereits nach weniger als zwei Wochen einen deutlichen Leistungsverlust erleben.
Auch im Herbst darf es intensiv sein
Für die Praxis bedeutet das: absolvieren Sie auch in der Winterzeit ab und zu ein sehr spezifisches und klar ausgerichtetes Training. Besonders die Bereiche anaerober Ausdauer, Schnelligkeitsausdauer und der Schnelligkeit gehen nicht nur schnell verloren – sie sind bei Vernachlässigung durch ein typisches Wintertraining mit langen Ausfahrten und niedrigen Herzfrequenzwerten im Frühjahr sogar auf einem derart schwachen Niveau, dass es mehrere Wochen dauert, um wenigstens auf den Vorjahreswert zu kommen. Und eigentlich möchten Sie doch auf einem höheren Level beginnen.
Der Herbst gibt Ihnen genug Möglichkeiten, um sich einerseits durch das sinkende Trainingsvolumen mental zu entspannen und auch sozialen Verpflichtungen wieder verstärkt nachzukommen. Im Kern des Herbsttrainings geht es vornehmlich darum, einfach mal Dinge anders anzugehen, Freude am Training zu haben und sich geistig zu regenerieren. Erinnern Sie sich an die mitunter mühsamen Momente des Sommers, wenn Sie in Ihrem Trainingstrott waren und sich freuten, die vorgesehenen Umfänge überhaupt irgendwie ableisten zu können? Dachten Sie in diesen Momenten nicht auch manchmal daran, einfach mal nach Lust und Laune zu trainieren? Dann ist jetzt der beste Moment dafür. Sammeln Sie Energie für die nächste Saison. Dazu können Sie Dinge angehen, die Sie schon längst in Angriff nehmen wollten.
Abwechslung von der Routine
Legen Sie sich einen neuen Laufparcours zurecht, der links und rechts entlang der Strecke mit kleinen Übungen versehen wird. Absolvieren Sie an jeder Parkbank einige Sprünge oder Liegestütz. Nutzen Sie aktiv die natürlich Hindernisse anstatt immer nur auf den Kilometer-Schnitt zu schielen. So wird das Training inhaltlich sogar etwas anspruchsvoller, Sie werden als Sportler neu gefordert und am Ende erleben Sie durch diese Neubelebung Ihres Trainings sogar Leistungssprünge.
Auch im Wasser könnte jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, an dem Sie nicht mehr nur die langen Serien absolvieren. Arbeiten Sie an der Grundschnelligkeit. Sie müssen nicht zum Sprinter werden, doch wenn sich Ihre Tempo-Ausgangsleistung verbessert, werden Sie auch auf den längeren Strecken schneller. Oder beginnen Sie, andere Lagen, statt immer nur zu kraulen, in das Training zu integrieren. Oder schwimmen Sie einmal ein ganzes Training nur mit der Atmung zur schwächeren Seite. Sie werden dann schnell spüren, wie sich ein solches Training positiv auf die Gesamtlage auswirkt. Jetzt ist auch die Zeit, neue Dinge auszuprobieren.
Zeit für Veränderungen
Die Länge dieser herbstlichen Trainingsphase hängt auch von Ihrer Saisonplanung ab. Da Sie aber im Regelfall erst im Mai in die Wettkampfsaison einsteigen, können Sie sich durchaus bis zum Jahreswechsel an neuen Trainingsinhalten erfreuen. Genug Zeit also, um tatsächliche Veränderungsprozesse anzusteuern, nachhaltig zu verankern oder um einfach nur mal über den Tellerrand Ihres gewohnten Trainings zu blicken.
Das können Sie natürlich auch mittels alternativer Sportarten tun. Denken Sie an den letzten Winter zurück. Da hätte sich auch in niedrig gelegenen Gegenden die Investition in Langlaufski gelohnt. Mindestens das Mountainbike oder den Crosser sollten Sie schon frühzeitig aus dem Keller holen. Allein die geänderten natürlichen Gegebenheiten (neue Strecken, Erhebungen, Bodenbeschaffenheit usw.) geben neue Reize und Eindrücke. Ihre Fahrtechnik wird sicherlich profitieren, wenn Sie häufiger über wurzelgespickte Waldwege fahren. Besonders das kurze Auf und Ab beim Mountainbiken ist für die Aufrechterhaltung der Kraftausdauer ein besonders effektives Training.
Zeit der Chancen und des Wachstums
Diese Beispiele zeigen, wie variabel das Training der Off-Season sein kann. Legen Sie Ihren Schalter deshalb nicht auf Off, sondern ändern Sie Ihren On-Modus einfach. Der erfolgreiche Sommersportler wird im Winter gemacht – ein häufig zitierter Spruch, der viel Wahrheit in sich trägt. Hüten Sie sich aber vor Aktionismus und dem Vorhaben, die Trainingsmuster des Sommers auch im Winter anzuwenden. In der Hoffnung viel könnte viel helfen, könnte dieses Vorhaben dazu führen, dass Sie sich geradewegs in eine Übermüdung und zwangsläufig mittelmäßige Sommersaison manövrieren. Geben Sie sich selber Zeit und Ruhe, um die vergangene Saison zu verarbeiten. Gerade deshalb spielt der Bedarf an Abwechslung eine große Rolle und kann gar nicht hoch genug einschätzt werden. Und genießen Sie die Freiräume, die Ihnen dieser Sport bietet!
Pingback: Off-Season: wie man als Triathlet das Beste daraus macht – DER AUSDAUERSPORT-EXPERTE