Schwimm-DM 2019: Wenn ich Sponsor wäre …
Die Eigendarstellung des deutschen Spitzenschwimmsports
Die Finals in Berlin. Eine Veranstaltung, die viele Sportarten zu ihren Deutschen Meisterschaften an einem langen Wochenende in der Hauptstadt zusammenkommen ließ. Eine großartige Chance für jeden Verband, sich der Öffentlichkeit und auch möglichen Kooperationspartnern zu präsentieren. Dieses Ereignis machte mich neugierig und so erlebte ich nach vielen Jahren wieder einmal eine Deutsche Meisterschaft im Schwimmen (und anderen Sportarten) live und hautnah.
Voller Spannung und Vorfreude fuhr ich mit meiner Familie in die Schwimmhalle am Europapark. Faszination Schwimmsport – so habe ich diese Event meiner Familie im Vorfeld „verkauft“. Und das gar nicht mal so günstig mit 59,50 Euro für drei Tickets bei sechs Einzelentscheidungen. Gerne sehe ich mir solche Veranstaltungen unter dem Aspekt der Erwartungen des Verbandes an. Schließlich äußert der Deutsche Schwimm-Verband seit vielen Jahren die Kritik, dass TV und Wirtschaft sich nicht mehr für den Wassersport interessieren würden und daraus weitere, auch finanzielle, Probleme entstünden. Dieses Event ist daher eine große Chance für alle Verbände, sich von ihrer besten Seite zu präsentieren.
Deshalb stellte ich mir die folgende Frage: Wenn ich ein potenzieller Sponsor wäre und würde zum ersten Mal eine Deutsche Schwimm-Meisterschaft erleben, wie würde mein Fazit ausfallen? Wäre dies eine Sportart, in die ich investieren würde, um Image, Bekanntheit zu pflegen und mir eine schlagkräftige, emotional aufgeladene Kommunikationsplattform aufzubauen? Die Antwort lautet leider ganz klar und eindeutig: NEIN. Und das aus den vier beispielhaften Gründen, die exemplarisch die Problematik erklären sollen.
Der Auftakt
15.30 Uhr: Der Beginn der Veranstaltung naht. Wir sind pünktlich. Die Spannung steigt in mir. Wie wird man die Zuschauer in den Bann ziehen? Verdunklung, Lichtshow, Laser, Musik? Und dann geht es los. „Guten Tag liebe Freunde des Schwimmsports. Bevor die Wettkämpfe beginnen, erfolgt eine Ehrung der erfolgreichsten Sportler dieser Saison!“ (v.d.R. sinngemäß gekürzt). Und nun reiht sich ein Aushängeschild des Verbands nach dem anderen auf und wird mit einer Urkunde geehrt. Hoppla, das hatte ich anders erwartet. Erste Chance verpasst!
Die Rennen
Nun geht es aber los! Die ersten Titelrennen. Nun aber bitte „Licht aus, Spot an!“ für diese tolle Sportart. Doch es kommt anders. Lieblos werden die Sportler zur Startbrücke moderiert. Keine Lichteffekte, nichts. Auch wenn während des Rennens über die Lautsprecher kommentiert wird und Musik läuft, so wird man als Betrachter wenig mitgerissen. Die Sportler geben ihr Bestes, doch der Rahmen spricht eine andere Sprache.
Die Siegerehrung
Die Meister werden geehrt! Bitte jetzt aber mit einer ordentlichen Zeremonie. Immerhin läuft die Star-Wars-Musik zur Einstimmung! Doch was dann kommt, hätte niemand erwartet. Es gibt kein Siegerpodest – anstatt dessen stehen die Erstplatzierten in einer Chlorwasserpfütze und nehmen ihre Medaillen entgegen. Die Verbands-Kommunikation dieses Programmpunktes nach Außen kann nur bedeuten, “ .. so wichtig ist uns das nicht!“ Schlimmer geht´s nimmer, möchte man sagen. Spätestens nach diesem Moment sehe ich fragende Augen in den Gesichtern meiner Familie: „So ehrt man im Schwimmsport also seine Meister?“ Ich suche nach guten Ausreden, mir fallen aber keine ein. Ein Bild (unten) sagt mehr als tausend Worte.
Das Ambiente
Meisterschaftswürdiges Ambiente – oder – wo schwimmen sie denn? Ein Schwimmhallenfoyer, das nüchterner kaum sein könnte erwartet den Fan, bzw. in dem skizzierten Falle den potenziellen Sponsor. Der Weg in die Schwimmhalle ist gut zu finden. Das Becken sieht toll aus, auch wenn ich hier natürlich befangen bin. Diese spezielle Ästhetik eines Pools nimmt mich einfach gefangen. Ein Blick auf die Werbebanden zeigt aber das Ausmaß der offenbar fehlenden Sichtweise des Verbandes und der zentralen Fragestellung: „Was möchte ein Sponsor von mir und was/wie kann ich ihm genau das geben?“ Außer der Generali Versicherung prangen hier lediglich die Ausrüster, der eigene Web-Shop und der Pool-Hersteller mit ihren Logos.
Wenn ich ein Sponsor wäre …
Wäre ich nun ein interessierter – möglicher – Sponsor, so wäre mein Fazit schnell gezogen. Dieser Verband zeigt selbst für seine eigene Sportart derart wenig Begeisterung, dass er als Partner für die Zielsetzungen eines Wirtschaftsunternehmens ungeeignet scheint. Versteht doch bitte einmal, wie toll und faszinierend diese (eure!) Sportart ist! Wer es nicht schafft, seine Athleten würde- und respektvoll zu ehren, lediglich eine Hallenbad-Atmosphäre bei den nationalen Meisterschaften herstellt, dem fehlt ein leidenschaftlicher Fachmann mit „Wirtschaftsdenke“ und ein wenig Gefühl für das was möglich wäre. Denn es ist nicht das Problem der Sportart, sondern ein Problem seiner Eigendarstellung. Oder im Zeitgeist gesprochen: „Du solltest dich schon ein wenig sexy machen für einen potenziellen Partner – oder dich wenigstens von deiner besten Seite zeigen.“ In Berlin gab´s leider nur Hausmannskost.
Fünf vor Zwölf für den deutschen Schwimmsport
So langsam wird es eng mit dem deutschen Schwimmsport. Mal abgesehen vom existenziellen Problem des Bädersterbens, geht es im Kern doch vor allem darum, die eigene Sportart populär zu machen. Der DSV steht in der Verantwortung, den Schwimmsport nicht nur zu verwalten, sondern Impulse zu setzen. Auch wenn immer mal wieder ein paar Top-Schwimmer, wie jetzt Florian Wellbrock und Sarah Köhler, auf der Bildfläche erscheinen, so sieht der Beobachter in der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte doch einen deutlichen Stillstand in der (Eigen-)Vermarktung des Schwimmsports. Jammern hilft da wenig. Zeit für mutige Konzepte und frische Ideen! Dann geht die Volkssportart Nummer 1 auch nicht baden! Auf die Plätze, fertig, los!
Fazit
Viel Geld für wenig Begeisterung und Leidenschaft ausgegeben. Da stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht. Aus den geplanten weiteren Besuchen wurde nichts, wir haben uns anderweitig bei den Sportarten umgesehen. Und wenn das ein Schwimm-Enthusiast sagt, liegt wirklich etwas im argen.